Kannst Du Dich noch an den Werbespot- es war von Vorwerk- erinnern als eine Frau bei ihrem Bankberater sitzt und- nach ihrem Beruf gefragt- antwortet: "Ich leite ein erfolgreiches, kleines Familienunternehmen"? In ihren Gedanken ist sie beim Kochen, Bügeln, Aufräumen und Betreuen ihrer Kindern zu sehen.
Wir haben damals über diesen Satz geschmunzelt, gleichwohl hatte er diesen kleinen, seltsamen Beigeschmack. Mittlerweile ist er zu einer Art Sinnbild für die Diskussion über die Wertschätzung von Care-Arbeit und weiblicher Führungsstärke geworden.
Wusstest Du, dass laut der Zeitverwendungserhebung 2022 Mütter in Deutschland unabhängig von Erwerbstätigkeit im Durchschnitt 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Care-Arbeit verbringen, während Väter etwa 21 Stunden pro Woche dafür aufwenden? Der größte Teil dieser Zeit bei Frauen entfällt auf klassische Haushaltsaufgaben (etwa 13 Stunden wöchentlich) und Kinderbetreuung (Quelle: Sozialbericht 2024 der Bundeszentrale für politische Bildung).
Ganz gleich, wie jedes Paar, jede Familie Erwerbstätigkeit und Care-Arbeit unter sich aufteilt, möchte ich heute auf die unsichtbare Last eingehen, die immer mit Care-Arbeit verbunden ist und oft unterschätzt wird:
M e n t a l L o a d
Mental Load beschreibt die kognitive und emotionale Verantwortung, die mit der Organisation und Koordination des Familienalltags einhergeht. Es geht nicht nur um das eigentliche Erledigen von Aufgaben, sondern darum, stets an alles denken zu müssen:
Wann ist der nächste Elternabend? Für welchen Kindergeburtstag müssen wir noch ein Geschenk besorgen? Was wollen wir am Wochenende kochen? Hab ich die Papiertonne rausgestellt? Undundund...
Viele Mütter haben die Rolle der „Familienmanagerin“ übernommen, teils durch gesellschaftliche Normen bedingt, teils, weil sie sich selbst in dieser Rolle sehen.
Auch Väter tragen Verantwortung, doch Studien zeigen, dass sie oft eher unterstützend handeln, während die Planung und Organisation des Familienalltags an den Müttern hängen bleibt.
Diese ungleiche Verteilung führt nicht selten zu Stress, Überforderung und dem Gefühl, nie abschalten zu können.
Damit es nicht soweit kommt und/oder Du rechtzeitig den Absprung schaffst, habe ich hier ein paar Punkte für Dich, wie Du aus der Mental Load Falle aussteigen kannst:
Haltung und Vorstellung von Familienleben immer wieder besprechen
Wie oft hast Du Dich damals in der Schule geärgert, wenn es eine Gruppenarbeit gab, bei der sich einige Schüler:innen eher zurücklehnten, die anderen machen ließen und dann die gleiche gute Note bekamen?
Unfair, ich weiß, doch die eigentlich interessante Frage dabei ist:
Wie konnte ihnen das gelingen? Wie kam es dazu?
Ja, genau, weil es sich um eine höchst systemische Sache handelt. Kleiner Reminder: im Systemischen gehen wir davon aus, dass alles miteinander in Wechselwirkung steht und kein one-way-Ding ist. Weil es eben diejenigen gab, die die Rolle der Engagierten sofort und freiwillig annahmen und den anderen damit vermittelten "wir machen das schon", "auf uns ist Verlass". Und die anderen, die das gerne so stehen ließen.
Nun frage ich einmal alle Mütter hier in der Runde:
Wie sehr ist Deine Familie daran gewöhnt, dass Du "das schon machen wirst"?
Wie selbstverständlich ist es, dass Du die Verantwortung für "einfach alles" übernimmst?
Und wie selbstverständlich tust Du es ohne vielleicht genauer darüber nachzudenken?
Oft höre ich den Satz "Mein Mann hilft mir im Haushalt." Ich weiß, es ist anerkennend gemeint und soll sagen, dass das ein "guter Mann" ist ;-) Ist bestimmt auch so. Gleichzeitig steckt hinter diesem Satz eine Haltung, die in Bezug auf Care-Arbeit problematisch wird, weil sie das Risiko birgt, dass notwendige und kontinuierliche Arbeit, wie sie oft in der Pflege, Kinderbetreuung oder Haushaltsführung anfällt, auf eine freiwillige Ebene verschoben wird.
Und schon ist die Falle zugeschnappt!
Ein Großteil der Verantwortung bleibt bei einer Person, die die Arbeit nicht ablehnen kann (oft Frauen), während andere "helfend" eingreifen und dafür überproportional Anerkennung erhalten.
Familie als Team
Ich empfehle, Familie als Team zu sehen, Partnerschaft als Teamwork zu sehen. Ein Team, in dem alle gleich wichtig sind und das nur funktioniert, wenn sich alle gleichermaßen und aktiv einbringen, Dass ein Team funktioniert, kann nicht in der Verantwortung einer einzelnen Person liegen. Solch ein Konzept ist eher zum Scheitern verurteilt, außer man heißt Christian Lindner (sorry, der musste sein ;-).
Im Familien-Team sind alle Familienmitglieder gefragt, genau hinzusehen, zu besprechen und zu justieren, wer welche (zeitlichen) Kapazitäten hat und was wie verteilt werden kann. Je nach Alter der Kinder besprechen zunächst die Erwachsenen untereinander die Aufteilung, bei älteren Kindern ist es gut, sie aktiv in die Besprechungen mit einzubeziehen.
Ich möchte dies alles ganz wertfrei formulieren, denn es gibt ja die unterschiedlichsten Modelle des Familienlebens, der Erwerbstätigkeit und der Aufteilung von Care-Arbeit.
Alle Modelle sind gut, wenn sie zu Euch als Familie passen und Ihr sie bewusst und gemeinsam gewählt habt. Und wenn alle Familienmitglieder damit zufrieden sind.
Eine schlechte Nachricht habe ich noch für Dich: Egal, wie gut Euer Modell sein mag, Mental Load fällt immer an.
Um damit bewusster umzugehen, können noch einmal folgende Schritte und Überlegungen hilfreich sein:
1. Aufgaben teilen (hatten wir schon, ich weiß)
Besprecht als Paar, welche Aufgaben verteilt werden können. Eine klare Verantwortungsaufteilung ist entscheidend.
2. Nein sagen lernen
Nicht jede Einladung, jedes Ehrenamt oder jede zusätzliche Verpflichtung muss angenommen werden.
3. Bewusst Digitale Tools einsetzen
Apps wie Einkaufslisten oder gemeinsam synchronisierte Kalender können helfen, Aufgaben und Termine übersichtlich zu organisieren.
4. Digital Detox
Sehr bewusst digitale Ablenkungen reduzieren. Unsere digitale Informationsflut ist meiner Ansicht nach der größte Mental Load Produzent. Daher: Push-Benachrichtigungen ausschalten, Emails nur 2x/Tag checken, Erreichbarkeit reduzieren, sich Zeit lassen mit der Beantwortung von Nachrichten, festes Zeitlimit für Social Media.
5. Um Unterstützung bitten
Überlegt, wer in Eurem Umfeld wie unterstützen könnte. Hilfe anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche.
6. Selbstfürsorge priorisieren
Zeit für sich selbst einzuplanen ist essenziell, um langfristig gesund und ausgeglichen zu bleiben. Achte darauf, dass gerade das nicht das Erste ist, was "hinten runterfällt", wenn's stressig wird.
Und soll ich jetzt To Do Listen schreiben oder nicht?
To Do Listen sind ein zweischneidiges Schwert: zum einen sind sie hilfreich, um anfallende Aufgaben aus dem Kopf zu bekommen, sie zu strukturieren und sichtbar zu machen, zum anderen kann eine lange Liste erneut Stress auslösen.
Probiere es aus! Wenn Du merkst, dass es hilfreich für Dich ist, führe To Do Listen (dies geht auch in Apps, synchronisiert mit der:m Partner:in). Hier kannst Du Aufgaben nochmals unterteilen in "dringend" und "nicht dringend". Wenn Du merkst, dass es Dich noch mehr in Stress versetzt, weil Du ständig das Gefühl hast, Du kriegst nichts gebacken, dann lass es.
Wie immer gilt: Nimm das an, was für DICH hilfreich und nützlich ist!
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