Immer wieder taucht, wenn es um Eltern und Kinder und Erziehung und das ganze Drumherum geht, irgendwo dann auch einmal der Begriff "Helikopter-Eltern" auf.
Er scheint sich zu einem Sinnbild dessen etabliert zu haben, was wir unbedingt ablehnen sollten, denn "helikoptern", das ständige Herumschwirren ums Kind, ist nicht gut für seine Entwicklung und geht ja gar nicht. Und bestimmt kennen alle Eltern von uns mindestens eine Situation, in der wir selbst so gehandelt haben oder noch handeln. Und wahrscheinlich gute Gründe dafür haben.
Der Helikopter-Begriff ist für mich eine Keule, mit dem wir Eltern abwatschen und pauschal verurteilen. fehlen uns doch meist zur vollständigen Beurteilung nötige Informationen zur jeweiligen Lebenssituation.
So erinnere ich mich an die Kindergartenzeit meiner Kinder als mein Mann die beiden um 7.30 Uhr mit dem Auto in den 400 m entfernten Kindergarten fuhr.
Gib's zu, Du hast gerade empört eingeatmet. Und jetzt: ausatmen nicht vergessen ;-)
Für uns war das damals einfach das Praktischste, da mein Mann direkt vom Kindergarten zur Arbeit fahren konnte (die liegt übrigens mehr als 400 m entfernt ;-) und somit weniger Wegzeit und damit Arbeitszeit "verlor".
Waren / sind wir deswegen Helikopter-Eltern?
Soviel ist klar: Das Eltern-Sein ist ein ständiges Abwägen verschiedener Möglichkeiten und Ausspinnen verschiedener Szenarien.
Was ist angemessen, was ist gut fürs große Ganze, was ist gut für die Entwicklung meines Kindes, was schadet ihm?
Und woher weiß ich das alles überhaupt?
An dieser Stelle beginnt es für manche Eltern ein bisschen zu kippen und zu wackeln. Denn sie haben schon unzählige Erziehungsratgeber gelesen, möchten "alles richtig machen", "keine Fehler machen" und als Eltern einfach perfekt sein. Hier gerät dann das Elternsein etwas aus dem Gleichgewicht. Bedürfnisorientierung wird zur Kontrolle, weil Eltern ihrem eigenen Anspruch, alles richtig zu machen, gerecht werden wollen. Sie überlassen nichts mehr dem Zufall und möchten das Kind vor allem Unheil bewahren. Würde es doch bedeuten, dass sie schlechte Eltern sind, wenn dem Kind etwas widerfährt oder es Kummer hat.
Neutral formuliert heißt Bedürfnisorientierung, die physischen und emotionalen Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen, zu begleiten und angemessen darauf zu reagieren.
Es gibt wiederum Eltern, denen es gelingt, diesen Begriff so auszudehnen, dass sie ihrem Kind alles erlauben, weil es ja nun gerade dessen Bedürfnis entspricht, in einem Restaurant die Wände anzumalen.
Weder der eigene Perfektionismus noch die Umsetzung falsch interpretierter Bedürfnisorientierung sind gute Ratgeber bei der Begleitung von Kindern.
Wie findest Du wieder zu mehr Sicherheit, ob Du in Richtung "helikoptern" unterwegs bist oder "tatsächlich" bedürfnisorientiert handelst?
Ich möchte Dir dazu 2 Impulse zur Selbstreflexion mitgeben:
1. Eigene Gefühle von denen des Kindes trennen
Unsere Kinder werden immer wieder Enttäuschungen und Situationen erleben, die ihnen Kummer bereiten. Gerade auch in der Autonomiephase (von ca. 2-4 Jahren) ist dies der Fall. Im Grundschulalter erleben Kinder dann oftmals schwierige Phasen in Freundschaften, müssen auch einmal mit Zurückweisung umgehen, mit einer schlechteren Note etc. In der Pubertät stellen sie sich selbst in Frage und/oder erleben den ersten Liebeskummer.
Hierbei brauchen sie geerdete, stabile Begleiter:innen und Eltern, die mit ihren Gefühlen bei ihnen sind, jedoch nicht in ihnen.
Sobald ich als Elternteil mit den Gefühlen meines Kindes verschmelze, bin ich nicht mehr in der Lage, "Fels in der Brandung" zu sein und dem Kind zu vermitteln, dass Stürme vorbei gehen und die Welt ihren gewohnten Gang wieder aufnehmen wird.
(Hierbei meine ich nicht, die Gefühle des Kindes zu bagatellisieren und nicht ernst zu nehmen, es geht mir ausschließlich um die Trennung eigener Gefühle und denen des Kindes).
Es ist wichtig, genau wahrzunehmen, ob das Gefühl zu mir als Elternteil gehört oder tatsächlich das Gefühl des Kindes ist. Möglicherweise ist das Kind gar nicht enttäuscht darüber, dass es von seiner Klassenkameradin keine Einladung zum Geburtstag bekommen hat. Du als Elternteil aber schon, weil Du Dich an eine ähnliche Erfahrung aus Deiner Kindheit erinnert fühlst?
Wenn es Dir gelingt, Deine eigenen Gefühle und die Deines Kindes zu trennen, wird auch Dein Kind lernen, seine eigenen Gefühle wahrzunehmen, mit ihnen umzugehen und sie zu regulieren. Zudem beugst Du damit vor, dass sich Dein Kind für Deine Gefühle verantwortlich zu fühlen beginnt und danach handelt- denn auf diese Baustelle kannst Du auch verzichten ;-)
2. Autonomie und Verbundenheit
Das Elternsein bringt eine gewaltige Gratwanderung mit sich: Nämlich die, die Bedürfnissse des Kindes zu erkennen, bei Gefahren sofort zur Stelle zu sein und gleichzeitig dem Kind Freiräume zur Entfaltung und Entwicklung des eigenen Selbst zu ermöglichen und sich aus diesen Freiräumen zurückzuziehen.
Indem wir unseren Kindern Freiräume ermöglichen, sollten wir ihnen gleichzeitig Verbundenheit mitgeben: Dies bedeutet, dass das Kind nicht alles machen darf, worauf es gerade Lust hat und grenzenlos alles austestet (siehe Beispiel Restaurant oben), sondern sich auch in der Autonomie an soziale Regeln halten muss. Das Kind darf zum Beispiel im Reastaurant am Tisch auf einem Block etwas malen. Schon ist das Bedürfnis erfüllt.
Ich habe bewusst "Gratwanderung" geschrieben, erscheint mir dies doch die größte Herausforderung der Elternschaft:
Das Begleiten, Hineingehen, wieder Herausgehen und Loslassen. Und das richtige Timing all dessen.
Kinder denen alles (vermeintlich) Schwere abgenommen wird, haben nicht die Möglichkeit, sich vollstänig zu entfalten und zu entwickeln. Und Kinder, die immer gesteuert werden, kommen nicht voran.
Überlasse Deinem Kind das (altersentsprechende) Steuer und die wortwörtlich gemeinten Freiräume, das heißt vor allem Raum und Zeit. Räume, in denen Kinder ungestört spielen können, die Natur, die die Kinder ungestört erkunden dürfen, das Fenster, aus dem die Kinder "einfach mal so" rausschauen dürfen.
Also, wenn Du mit dem Gedanken gespielt hast, in nächster Zeit den "Helikopter-Flugschein" zu machen, melde Dich vielleicht doch lieber zum Navigations-Kurs "Fels in der Brandung" an. Oder?
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