In einigen Bundesländern ist es schon so weit, hier in Bayern werden die letzten Schulaufgaben geschrieben- und eines ist klar:
Die Zeugnisse stehen vor der Tür und das Schuljahr geht zu Ende.
Für viele Familien ist diese Zeit noch einmal besonders herausfordernd, denn nicht immer wird alles so gelaufen sein, wie erhofft oder auch erwartet.
Bei mir stehen vermehrt verzweifelte Eltern und Kinder vor der Tür und eigentlich möchte ich alle in den Arm nehmen und mit Bob Marleys Song "Three little birds" trösten, in dem er singt: "Singin', Don′t worry about a thing, 'cause every little thing is gonna be alright".
Da dies möglicherweise nicht bei allen unter seriöse Beratungsmethode verbucht wird, möchte ich heute ein paar Impulse zu Noten und Notengebung sowie einem gelasseneren Umgang damit teilen.
Welchen Sinn/Wert haben Noten und welchen gibst du ihnen?
Sicherlich, Noten schaffen Vergleichbarkeit und schaffen es scheinbar mühelos, zu zeigen, wer mehr tun müsste. Doch die Vergleichbarkeit und die Objektiviät von Noten ist nicht ganz so zuverlässig wie es scheint. Sie sind und bleiben eine Krücke und können nie allen Kindern gerecht werden.
Mache dir immer wieder bewusst, dass eine Note eine Zahl von 1 bis 6 ist, die Auskunft darüber gibt, wie gut ein bestimmtes Kind bei einer bestimmten Lehrkraft in der Lage war, den Stoff des Lehrplans dieser Klassenstufe auf eine bestimmte Art und Weise zu lernen und diesen in einem bestimmten Prüfungssetting wiederzugeben
Nicht mehr und nicht weniger.
Dies heißt auch, dass möglicherweise ein anderes Setting, andere Methoden, andere Prüfungen und andere Lehrkräfte zu einem anderen Ergebnis gekommen wären und das Zeugnis anders aussehen würde. Auch gibt eine Note keine Auskunft darüber, mit welchen sonstigen Herausforderungen ein Kind möglicherweise noch konfrontiert war.
Eltern kennen ihr Kind am besten und sehen, ob es leidet oder nur ein wenig Hilfe braucht. Es ist gut, sich hierzu auch in der Schule und unter den Lehrkräften der Kinder umzuhören und gleichzeitig auf das eigene Bauchgefühl und das Kind zu vertrauen.
Und: Entspanne dich! Eine 4 oder eine 5 in der Mittelstufe sind Signale, aber kein Weltuntergang.
Sei mal ehrlich: Hast du kontinuierlich gute Noten abgeliefert?
Vor allem ist es wichtig, Kindern zu vermitteln, dass sie so viel mehr sind als das, was hier auf dem Zeugnispapier dargestellt wird. Ein Kind, ein Mensch lässt sich nicht in ein paar Zahlen und Worten bewerten. Das Zeugnis darf genutzt werden, um Probleme zu entdecken und Entwicklungspotenziale zu sehen und gleichzeitig sagt es nichts über den Wert eines Menschen aus.
Vermittle dies deinem Kind und entwickle hier eine authentische Haltung.
Schlechte Noten
Wenn die Noten wesentlich schlechter ausfallen als erwartet, ist es angemessen, ein wenig länger zu reflektieren, woran es liegt und was zu tun ist. Da sich schlechte Noten auf die Dauer durchaus zu einem Problem entwickeln können…
Die Notbremse sollte man ziehen, wenn ein Kind zunehmend Schulangst oder Schulstress entwickelt. Dies äußert sich z.B. durch häufiges Kranksein und viele Fehltage, durch eine zunehmende Isolation in der Klasse und den Rückzug aus sozialen Zusammenhängen wie Familie und Freunde, das Entwickeln von Prüfungsängsten oder gar Panikattacken. Dauerhafter Misserfolg stellt eine ungünstige Rahmenbedingung für ein gesundes Selbstbewusstsein dar. Auch Mobbing oder eine ungute Dynamik in der Klasse können Grund für schlechte Noten sein. Hier lohnt sich also die Spurensuche. Zunächst mit dem Kind, aber auch in Gesprächen mit Lehrkräften oder durch die Nutzung des Beratungsangebots der Schule, also z.B. von Sozialpädagog:innen, Schulpsycholog:innen und Beratungslehrer:innen.
Offene Kommunikation
Bleibe im Gespräch! Sprich mit deinem Kind nicht nur über Schulisches, sondern auch über seine Gefühle, Hoffnungen und Träume. Was macht ihm Spaß, was findet es doof? Wovon träumt es, wo möchte es hin? Und hinterfrage dich. Darf es dir uneingeschränkt sagen, was nicht gut ist?
Zeige Interesse für das, was dein Kind beschäftigt. Eine gute Kommunikation schafft Vertrauen, gemeinsame Erlebnisse und Aktivitäten stärken eure Beziehung und stabile familiäre Bande sind ein wirksames Mittel gegen Schulstress.
Nur wer unbeschwert und unbelastet ist, hat den Kopf frei fürs Lernen.
Durchlässiges Schulsystem
Unser Schulsystem bietet viele verschiedene Wege zu einem adäquaten Schulabschluss und es ist wichtig, diese Durchlässigkeit im Kopf zu behalten. Gerade in einem Alter, in dem entwicklungspsychologisch betrachtet so viel bei Kindern passiert, erscheint es mir besonders ungünstig, nach 4 Jahren Grundschulzeit bereits die "Weichen" für den weiteren schulischen Werdegang zu stellen, wie es in den meisten Bundesländern der Fall ist.
Glücklicherweise ist es trotz dieser vermeintlichen Weichenstellung in der 5. Klasse auch an der „falschen“ Schule nicht zu spät. Kinder können von der Mittelschule (in Bayern Hauptschule) über die FOS (in Bayern Fachoberschule) bis zum Abitur gelangen und andersrum, wer einmal vom Gymnasium auf die Realschule wechselt, hat noch lange nicht alle Chancen auf das Fachabi oder Abitur verspielt. Ein Schulwechsel erscheint uns meist als ungewollter Bruch in der Schulkarriere und wird daher oft viel zu lange hinausgezögert. In den allermeisten Fällen gelingt es Kindern und Jugendlichen innerhalb weniger Wochen, ein neues Netzwerk an einer neuen Schule aufzubauen und wieder mehr Erfolgserlebnisse zu sammeln.
Außerdem: Jeder Schulabschluss ist gleich viel Wert und es kommt immer darauf an, was Jugendliche beruflich anstreben, worin ihre Talente liegen und was ihnen wirklich Freude bereitet. Dies gemeinsam mit ihnen herauszufinden, sollte unsere Aufgabe als Eltern und erwachsene Wegbegleiter:innen sein.
Ausblick aufs neue Schuljahr
Manchmal sind es kleine Stellschrauben, die hilfreich sein können, um den Schulalltag zu erleichtern:
Lernen lernen: Wie und wo lernt das Kind am besten? Welche Begleitung braucht es? Sind die Lernstrategien die richtigen?
Ordnung: Lernort festlegen und ordentlich halten
Systematik: Feste Hausaufgaben- und Schlafenszeiten, feste Medienzeiten
Freizeit: Ausgleich schaffen mit außerschulischen, schönen Erlebnissen: Freunde treffen, Sport treiben, Musik machen, sich sozial engagieren, draußen sein, Familienzeit etc.
Elterliche Haltung: Lob für Anstrengungen, bedingungslose Liebe unabhängig von Noten, im Gespräch bleiben
Kommunikation: frühzeitig Kontakt zu Lehrkräften/Sozialpädagog:innen/Schulpsycholog:innen aufnehmen, um bei Schwierigkeiten ins Gespräch zu kommen
Jetzt können wir alle entspannt das Schuljahr ausklingen lassen und dann in die wohlverdienten Sommerferien starten, oder?
An diesem Thema haben auch meine liebe Kollegin Julia Staudt vom Gymnasium Puchheim und ich in letzter Zeit gearbeitet und einen Instagrambeitrag und Blogartikel fürs Jugendamt Fürstenfeldbruck geschrieben. Vielen Dank, liebe Julia, dass ich Auszüge daraus hier verwenden darf!
Weitere Quelle: Caroline v. St. Ange (2023): Alles ist schwer bevor es leicht ist. Hamburg Rowohlt, S. 216-236
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