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Nur Spaß? Wie wir mit Ausreden und Bagatellisierungen umgehen können


"War doch nur Spaß", "Das war nicht so gemeint", "Der andere hat aber auch dies und jenes gemacht...."

Kommen Dir solche Sätze bekannt vor?

Wenn Du Mutter, Vater, Lehrer:in bist bestimmt, oder? ;-)

Aber auch der ganz "normale Alltag" wimmelt davon- achte mal drauf...


Ja, die Rede ist von Ausreden, Dinge herunter spielen, bagatellisieren oder wie es im pädagogischen Bereich auch genannt wird: "Rechtfertigungsstrategien".


Wenn wir sie benutzen, kommen wir scheinbar mühelos durchs Leben, können uns aus den schwierigsten Situationen herausmanövrieren, ganz ohne Anstrengung, ohne Reflexion, ohne uns die Hände schmutzig zu machen.

Verantwortung? Lieber nicht- ist doch anders viel bequemer, oder? War doch alles nur Spaß, nicht so gemeint, einmal kann einem doch auch mal die Hand ausrutschen, jetzt habt Euch alle nicht so.


Unser Bundeskanzler leidet, angesprochen auf die Cum-Ex Thematik, sofort unter akutem Gedächtnisverlust. Nix zu machen.

In der Schule begegnen mir Eltern, die, wenn sie über ein Fehlverhalten ihres Kindes informiert werden, dies herunterspielen und der Schule vorwerfen, man reagiere über, das seien doch noch Kinder.


Doch wer entscheidet, wann eine Grenze überschritten ist? Wer entscheidet, ob es "nur Spaß" war? Wer entscheidet, ob "jemand keine andere Sprache außer Gewalt versteht"?

Genau- dies entscheidet die betroffene Person!


Die Person, auf deren Kosten ein Witz gegangen ist: Sie entscheidet, ob sie (noch) mitlachen kann oder ob hier bereits persönliche Grenzen überschritten worden sind.

Es entscheidet die Person, die tätlich angegriffen worden ist: Sie trägt eine Verletzung davon, möglicherweise sogar eine seelische.


Wie schaffen wir es, wieder mehr Verantwortung für eigenes Verhalten zu übernehmen? Da, wo wir Dinge selbst in der Hand haben? Wie gelingt es uns, dies unseren Kindern beizubringen, ihnen zu spiegeln?

Im Kindesalter, ungefähr zwischen 3 und 5 Jahren, bildet sich die "Theory of mind" aus, die Voraussetzung in unserem Gehirn für Mitgefühl. Kinder beginnen zu begreifen, dass das Denken anderer getrennt vom eigenen Denken stattfindet. Sie sind allmählich in der Lage, Sichtweisen von anderen einzunehmen, ohne dabei die eigene Sichtweise zu verlieren. Hier beginnt Verantwortungsübernahme für das eigene Verhalten. Wir lernen, dass jedes Verhalten Konsequenzen hat und niemand anderes unser Verhalten steuern kann außer wir selbst.


Dissoziales Verhalten ist nur möglich, wenn gegenüber de:r Geschädigten Mitgefühlsblockaden entstehen. Man könnte auch sagen, dass Rechtfertigungen Empathieblockaden sind.

Wir sollten Kindern und Jugendliche immer signalisieren, dass wir sie mit all ihren Gefühlen, Bedürfnissen und Gedanken annehmen, aber nicht jedes Verhalten.



Wie können wir mit Ausreden / Rechtfertigungen / Bagatellisierungen umgehen, wenn sie uns begegnen?


1. Strategie: Verleugnen / Verharmlosen

Wird ein Sachverhalt verharmlost, hören wir oft Sätze wie: "Ich hab doch nur Spaß gemacht", "Das war doch keine Absicht", "Ich hab gar nichts gemacht", "Das machen doch alle"

Mögliche Antwort:: "Ja, aus deiner Sicht war das nur Spaß. Und welche Folgen hatte es für XY?"


2. Strategie: Schuldzuweisungen

Mit Schuldzuweisungen wird eine Täter-Opfer-Umkehr versucht: "Die hat mich doch provoziert", "Der ist selbst schuld, der nervt mich schon die ganze Zeit"

Mögliche Antwort: "Ja, du fühlst dich durch dieses Verhalten provoziert und was kannst du tun ohne dabei gewalttätig zu werden?"


3. Strategie: Kontrollverlust

Eine beliebte Ausrede ist die Begründung mittels Kontrollverlust: "Ich werde halt schnell wütend", "Mir ist einfach die Hand ausgerutscht", "Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte"

Mögliche Antwort: "Ja, du fühlst dich in dieser Situation hilflos und daran müssen wir arbeiten. Das machst du jetzt wieder gut."


Hier erkennen wir auch das Verhalten unseres Bundeskanzlers wieder, gell?! ;-)

Kontrollverlust: "Ich kann mich an nichts erinnern" -> folglich bin ich auch nicht verantwortlich


4. Strategie: Opferhaltung

Indem aktiv eine Opferrolle eingenommen wird, wird versucht, die Verantwortung abzugeben: "Immer bin ich's", "Alle sind gegen mich", "Das machen Sie nur, weil Sie was gegen Ausländer haben"

Mögliche Antwort: "Ja, du glaubst alle sind gegen dich und es geht hier jetzt nicht um dich als Person, sondern um dein Verhalten."


5. Strategie: Recht auf Gewalt

Oftmals wird mit dem "Recht auf Gewalt" argumentiert: "Es war Notwehr", "Der versteht nur diese Sprache", "In unserer Kultur ist das normal"

Mögliche Antwort: "Ja, das sind deine Regeln und bei uns gelten andere. Hier gelten Menschenrechte und wer diese verletzt muss mit Konsequenzen rechnen."



Ist Dir aufgefallen, dass alle Antworten einem gewissen Schema folgen?


Mit dem einleitenden "Ja" erkenne ich die Perspektive des anderen an, formuliere dann eine Begründung aus Sicht des anderen. Nun leite ich mit "und" über zu meiner Begründung und den Schäden/Folgen des gezeigten Verhaltens und benenne ganz klar Werte/Normen/Gesetze.


Ok, das klingt jetzt wirklich wie ach einer Formel in einem schlechten Mathebuch, oder? ;-)

Am besten Du probierst es selbst einmal aus, wenn Dir im Alltag mit Deinen Kindern, Deinen Schüler:innen etc. die nächsten Rechtfertigungen begegnen. Es braucht ein bisschen Übung und irgendwann ist es ganz leicht ;-)


Warum mir das so wichtig ist?


  • Weil Mitgefühlstraining Gewaltprävention ist

  • Weil unsere Gesellschaft gemeinsame Werte und Normen braucht

  • Weil jedes Verhalten Konsequenzen hat und Kinder / Jugendliche dies "erfahren" müssen um sich zu verantwortungsvollen Erwachsenen entwickeln zu können

  • Weil wir unsere Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung hemmen, wenn wir sie vor allem beschützen / aus allem herausboxen

  • Weil es wichtig ist, Kindern zu vermitteln, dass sie Fehler machen dürfen und es Möglichkeiten zur Wiedergutmachung gibt


Und die gute Nachricht ist übrigens: Jede:r kann Empathie zu jedem Zeitpunkt (wieder) lernen!

 






Hinweis: Das Ganze habe ich mir nicht komplett alleine ausgedacht, sondern dazu einmal eine sehr gute Fortbildung bei www.konflikt-kultur.de besucht.


Kristin Frank | Systemische Beratung für Lehrkräfte

Systemische Beratung für Eltern, Kinder & Jugendliche und Lehrkräfte

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*Im Newsletter, den Blogartikeln und den Müttergruppen nutze ich in der Anrede das in den Sozialen Medien und Gruppen gebräuchliche "Du". In meinen Beratungen und auf den Informationsseiten der Homepage bleibe ich beim "Sie".

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